Vier Jahrzehnte Topdesign: Opel Monza GSE trifft Monza Concept

28.11.2013

Rüsselsheim.  Ein goldener Herbsttag am Main: Huckepack auf einem gelben Truck rollt der Monza Concept vor das Adam Opel Haus. Der Namensgeber des brandneuen Konzeptfahrzeugs, ein Monza GSE, ist bereits in Positur gebracht. George Gallion, der 1977 den Ur-Monza mitentworfen hat, und Friedhelm Engler, Director Advanced Design des Monza Concept, verfolgen gebannt, wie beide Wagen nebeneinander platziert werden – ein Gänsehaut-Moment. Sofort versammeln sich Dutzende Mitarbeiter, zücken Smartphones, umrunden die Boliden. Auch die beiden Designer sind erst einmal nicht dazu zu bringen, wie geplant für den Fotografen zu posieren. Noch während der Monza Concept rangiert wird, öffnet Gallion die Heckklappe des GSE. „Das war ein kniffliges Ding“, sagt er und streicht über die filigrane Einfassung der Heckscheibe. „Sie macht den extrem schmalen Rahmen, den wir unbedingt wollten, steif genug“, erläutert er. „Von der Heckklappenverglasung“, sagt Engler, „haben wir uns beim Monza Concept inspirieren lassen.“ Und der steht jetzt in Position. Mit einem Fingerstreich über den hinteren Kotflügel öffnet Engler die riesige Flügeltür. Lautlos. Gallion nimmt Platz. Per Touchpad fährt Engler die LED-Projektion hoch. Das geschwungene, von Tür zu Tür reichende Cockpit, erwacht zum Leben. Auf der Cockpitfläche erscheinen virtuelle Schalter und Drehregler. „Alles kann hier eingeblendet werden. Ein CD-Cover, die Navi-Karte, eine Facebook-App, was du willst, wo du willst“, erläutert Engler.

Zehn Fragen an die Opel-Designer George Gallion und Friedhelm Engler

 ? Herr Gallion, Sie haben mit dem Monza A2 1983 Geschichte geschrieben. Es war das erste Auto mit einem digitalen Display. Was sagen Sie nun zu dieser neuen Form der Instrumenten-Anzeige?

GALLION: MancheZeitungen nannten unser Display damals Mäusekino. Das gefiel mir gut. Das hier ist – was soll ich sagen: „Micky Maus goes Star Wars“. Ich bin fast ein wenig neidisch, wenn ich sehe, was heute möglich ist. Wie schön dieses Auto geworden ist.

ENGLER: Hey, George, du hast ja eine Gänsehaut. Diese Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ist der Wahnsinn, oder? Diese Infotainment- und Instrumenten-Anzeige war ursprünglich viel kleiner, reduzierter geplant. Dann haben wir festgestellt: Das funktioniert richtig gut, wir können die multifunktionelle, personalisierbare Instrumententafel über die ganze Breite anlegen und sogar die Mittelkonsole einbeziehen. Es ist der letzte Stand der Forschung.

?Herr Gallion, Herr Engler, Sie beide waren von 1992 an gemeinsam bei Opel. Gab es Berührungspunkte?

Gallion: Aber klar doch. Friedhelm hatte sogar bei mir sein Bewerbungsgespräch.

ENGLER: Ich erinnere mich noch gut. Nach dem Gespräch hat mich George durchs Studio geführt und unter alle Abdecktücher schauen lassen. Das hätte er gar nicht gedurft. Aber das macht die Faszination von Opel aus: nahbar sein – damals wie heute.

? Wie hat sich die Arbeit der Designer verändert?

ENGLER: Am Anfang stehen die Vision, die Idee, dann Bleistift und gutes Papier – das ist geblieben, oder George?

GALLION: Ja. Das alte Klischee – der Designer sitzt im Café und skizziert mit Stift und Papier vor sich hin – es stimmt. Auch in Besprechungen hören Designer zwar zu – na ja meistens – aber sie zeichnen dabei.

ENGLER: Was sich geändert hat, sind die Werkzeuge – Computer-Entwicklung und 3D-Programme, Fräsmaschinen und Simulationen.

? Vor 48 Jahren präsentierte Opel auf der IAA als erster Automobilhersteller weltweit ein Konzeptfahrzeug, den Experimental-GT. In diesem Jahr ist es der Monza Concept. Wie wichtig sind Konzept-Fahrzeuge für die Evolution des Designs?

GALLION: Die Showcars sind dazu da, neue Design-Ideen zu zeigen. Sie müssen nicht unbedingt in ein Produkt münden, sie sollen eher eine Tendenz aufzeigen. Wir hatten bei Opel damals die erste Designabteilung in Europa, die nur forschen durfte, unabhängig von einer bestimmten Produktlinie.

ENGLER: Der Monza Concept ist die Vision der Marke Opel – auch für uns selbst, für Designer, Mitarbeiter und Kollegen. Es motiviert unheimlich, wenn man verfolgt, wie eine Vision Gestalt annimmt. Wir haben ja gerade gesehen, was hier vor dem Adam Opel Haus passiert ist. Kaum steht das Auto, kommen die Kollegen in Scharen, betrachten den Wagen, machen Fotos.

? Wie wurde die Idee des Monza Concept geboren?

ENGLER: Es begann mit einer Vision der Marke. Wir wollten Effizienz visualisieren, die auch in Technik umsetzbar ist. Es sollte nicht schwer wirken, aber auch nicht zu filigran. So entstand die Schlüsselskizze mit Dame und Hund. (Engler holt ein Poster, das den Wagen neben einer Dame mit Windhund zeigt.) Dieser Windhund hat kein Gramm Fett zu viel, ist unglaublich agil und sieht dabei elegant aus. Das ist perfekt. Dazu diese Frau, das ist einerseits Siebziger, Achtziger, aber auch modern und cool. Das war’s, das war eine runde Story. Gemeinsam haben wir das zwei Jahre lang weiterentwickelt. Ein Showcar ist nicht die Arbeit Einzelner. Es ist Teamarbeit von 70 oder 80 Leuten.

? Apropos Windhund: Man liest immer wieder, dass Tiere die Inspiration für automobile Formen liefern. Gehen Designer in ihrer Freizeit regelmäßig in den Zoo?

ENGLER: Ich glaube nicht, dass unsere Leute im Zoo abhängen. Obwohl, George, es gibt da ja die Geschichte mit dem Manta …

GALLION: Das war 1969. Als Reaktion auf den Ford Capri hatten wir innerhalb von vier Wochen den Prototypen eines Coupés entworfen. Raubfischnamen waren damals in. Wir wollten es Manta nennen und die Form des Fischs als Emblem benutzen. Aber niemand konnte uns sagen, wie dieser Rochen überhaupt aussieht. Niemand bis auf Jacques Cousteau, der Meeresforscher. Also bin ich zu ihm nach Paris gefahren, um Fotos des Manta abzuholen. Na ja, sonderlich schön war der Fisch eigentlich nicht. Wir haben ihn dann noch etwas eleganter gezeichnet.

ENGLER: Beispiele aus dem Tierreich sind einfach dankbar, weil sich jeder etwas darunter vorstellen kann. Wenn ich in einer Besprechung „Gepard“ oder eben „Windhund“ sage, hat jeder sofort ein Bild im Kopf.

?Monza, das heißt: Sportcoupé mit großem Innenraum. Welche Parallelen gibt es noch zwischen Monza A und Monza Concept?

ENGLER: Der Monza Concept ist eigenständig. Es finden sich aber einige bewusst gesetzte Zitate des Monza A in ihm, zum Beispiel die angedeuteten Lufteinlässe der C-Säule. In der Führung der Dachlinie spiegelt sich die Funktionalität, wofür die Marke Opel ja auch steht. Er ist dadurch ein vollwertiger Viersitzer, ohne Kompromisse. Wir nennen ihn deswegen Sportsbreak und nicht Sportcoupé. Die großzügige skulpturale Verglasung – auch das ist ein Zitat – bringt Leichtigkeit, nimmt auch optisch Gewicht aus dem Wagenkörper. Ansonsten ist der Monza A nur Namensgeber, eine Referenz. Wir hatten ihn zwar bei uns im Studio stehen. Aber wir machen kein Retro-Design, kochen nichts Altes wieder auf. Auch George und seine Jungs haben nie nach hinten geschaut.

?Wie viel Design des Monza Concept wird denn in künftigen Opel-Modellen stecken?

ENGLER: Der Monza Concept steht genau wie alle Opel für unsere Hauptaussagen – skulpturales Design und deutsche Ingenieurskunst. Aber er entwickelt das Thema, die Design-Philosophie weiter, geht in die nächste Runde – indem er den Fokus auf eine extrem starke Proportion legt. Deshalb genügen ansonsten einfache Linien. Wie bei einem schön gewachsenen Christbaum: Bei dem braucht man kaum noch Lametta. Das ist skulpturales Design. Am Astra GTC sieht man das auch schon gut: Das seitliche, maximal gezogene Blech macht das Drama aus.

? Kommt es denn häufig vor, dass Sie eine geniale Designidee funktionalen oder technischen Vorgaben opfern müssen?

ENGLER: Nein, nicht, wenn man das von Anfang an gemeinsam mit den Kollegen von Engineering und Marketing entwickelt.

GALLION: Ich habe nie versucht, etwas zu machen, das technisch gar nicht umsetzbar war. Aber wenn die Ingenieure zu mir sagten: „Nein, ein Grad Neigung mehr geht an diesem Bauteil nicht“, habe ich gesagt: „Okay, dann also ein halbes Grad mehr.“

?Übrigens, welche Autos stehen bei Ihnen privat in der Garage? Herr Gallion, Sie sind heute im Meriva gekommen …

GALLION: Ja, das ist schon mein vierter! Das Türkonzept vom Meriva B ist sehr praktisch, gerade, wenn ich mein fünfjähriges Enkelkind mitnehme. Und der blaue Aero GT, der bei Opel Classic steht, der gehört mir auch.

ENGLER: Ich verfolge gerade ein Spezial-Projekt. Mein Sohn und ich bauen einen Opel GT zu einem Rallye-Fahrzeug um, mit dem wir an Rennen teilnehmen wollen. Wenn er fertig ist, komme ich mal damit bei dir vorbei und wir drehen eine Runde.

GALLION: Abgemacht! 

Im Porträt: Die Designer und ihre Studien

Friedhelm Engler

Jahrgang 1963, Director Advanced Design GM Europe, ging nach dem Design-Studium an der Hochschule Pforzheim für drei Jahre als Produktdesigner nach Tokio. Bei Opel begann er als Transportation Designer, war später Chefdesigner des Meriva A und des Astra H, dann Designdirektor Global Compact Car Architecture. Bis 2010 leitete er die Design-Abteilung des GM Entwicklungszentrums PATAC in Shanghai. Als Direktor ist er verantwortlich für die Studien RAK e, RAD e und Monza Concept.

George Gallion

Jahrgang 1937, gebürtiger US-Amerikaner, begann nach dem Industriedesign-Studium in Atlanta / Georgia (USA) bei GM in Detroit. 1969 wechselte er zu Opel, wurde stellvertretender Design-Direktor. Von Manta A über Monza bis hin zu seinen letzten Projekten Signum und Movano tragen viele Opel seine Handschrift. 2002 ging er in den Ruhestand. Er lebt mit seiner Frau im Taunus.

Monza A1/A2

Der Monza A1 wurde 1977 auf der IAA vorgestellt. Die dreitürige Coupé-Variante des neuen Top-Modells Senator war mit vier Sitzplätzen voll alltagstauglich. Angetrieben wurde der Monza von Sechszylinder-Motoren mit 2,5- bis 3,0-Litern Hubraum. Ende 1982 löste ihn der Monza A2 ab. In der Top-Ausstattungslinie GSE gab es 1983 erstmals digitale Anzeige-Instrumente. 1986 endete die Produktion des Coupés, das heute auf dem Sprung zum Kult-Youngtimer ist.

Monza Concept

Er kombiniert die Silhouette eines Sports Break mit der Linie eines Coupés, Flügeltüren mit Funktionalität. Völlig neuartige Instrumenten- und Infotainment-Anzeigen in LED-Projektionstechnologie weisen Opels Weg zu umfassender Vernetzung. Antriebsseitig sorgt das modulare Design für höchste Flexibilität. Dem Elektro-Antrieb der Designstudie ist ein 1,0-Turbomotor zugeschaltet. Möglich sind aber vielfältige Kombinationen.