15.06.2011
Rüsselsheim. Bevor Autos heute an den Start gehen, legen Prototypen viele tausend Kilometer unter härtesten Bedingungen zurück, viele davon auf speziell eingerichteten Teststrecken. Opel verfügt gleich über mehrere solcher Testzentren, das größte davon befindet sich im südhessischen Dudenhofen, etwa 50 Kilometer vom Rüsselsheimer Stammwerk und dem Internationalen Technischen Entwicklungszentrum entfernt.
Im Jahr 1951, vor 60 Jahren, nahm das Unternehmen sein erstes vollwertiges Testgelände in Betrieb, das damals noch den Namen Prüffeld trug und sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Rüsselsheimer Produktionsanlagen befand. Opel war damit einer der ersten deutschen Automobilhersteller mit einer solchen modernen Anlage. 150.000 Quadratmeter umfasste das Areal. Fünf Monate dauerte das Bauprojekt, das es ermöglichte, einen Teil des Testbetriebs von den öffentlichen Straßen zu holen und die Prototypen vor unerwünschten Blicken zu schützen.
Neben einer 1.500 Meter langen Schnellfahrbahn und einer „alltagsüblichen“ Straße mussten sich die Opel-Modelle auch Tests auf der Pflasterstrecke unterziehen. Darüber hinaus zeichnete sich das damalige Erprobungsareal durch zahlreiche Sonder-Prüfabschnitte aus. Dazu zählten die Höckerbahn und die Waschbrett-Asphaltstrecke zum Test von Federung, Radaufhängung, Stoßdämpfern und Lenkung. Auch eine Schotter- und Betonstraße sowie eine Sand- und Wasserdurchfahrt gehörten dazu. Eine Art Mittelachse im Gelände bildeten die unterschiedlichen Steilstrecken mit Steigungen von bis zu 30 Prozent – wichtig für Versuche zu Getriebeabstufungen, Steigvermögen sowie Anfahr- und Bremswirkung. Auf dem Skid Pad, einer Rutsch- und Schleuderfläche auf Betongrund, konnten die Opel-Experten schon zur damaligen Zeit in engsten Kurven die Lenkungsgeometrie überprüfen, Schlupfwinkel bestimmen und das Unter- oder Übersteuerungsverhalten testen.
1920: Opel-Rennbahn für Modellerprobung, Motorsport und Werbeveranstaltungen
Fahrzeugtests bei Opel in Rüsselsheim hatten ihren Anfang im Jahr 1903. Das hauptsächlich als Einfahrbahn für Motorwagen und für die Fahrraderprobung genutzte kleine Oval auf dem Werksgelände wurde jedoch bald zu klein. Deshalb eröffnete der Automobilhersteller am „Schönauer Hof“ südlich des Werksgeländes, Richtung Trebur, im Jahr 1920 die 1,5 Kilometer lange Opel-Rennbahn, die auch für Motor- und Radsportveranstaltungen genutzt wurde. Die Raketenantriebsversuche von Fritz von Opel hatten hier ebenfalls ihren Ursprung. Die bis zu 32 Grad überhöhten Kurven der ovalen Rennbahn erlaubten Geschwindigkeiten von 140 km/h, womit das Motodrom in dieser Zeit zu den schnellsten Kursen der Welt gehörte und Deutschlands erste permanente Auto- und Motorradrennstrecke war. Zuweilen fanden auf dem Gelände auch außergewöhnliche Werbeveranstaltungen statt, wie beispielsweise 1924 die Präsentation einer gesamten Tagesproduktion von mehr als 100 Exemplaren des 4/12‑PS‑Modells, im Volksmund besser bekannt als „Laubfrosch“. Die Reste der Bahn sind heute noch zu sehen und werden von Spaziergängern gerne besucht.
1966 bis heute: Hochleistungs-Testzentrum Dudenhofen
Als Nachfolger des Opel-Prüffeldes von 1951, auf dem sich heute Entwicklungseinrichtungen wie das Labor für elektromagnetische Verträglichkeit, das Crashtestcenter und weitere Prüfstände befinden, baute Opel im Jahr 1966 ein völlig neues Testzentrum in Dudenhofen auf. Hier entstand eine ausgeklügelte Kombination aus Straßen und Wegen mit einer Gesamtlänge von damals bereits 33 Kilometern, um die Fahrzeuge auf ihre Dauerhaltbarkeit und die Belastbarkeit unter extremen Bedingungen zu testen.
In den vergangenen zehn Jahren ist der Streckenanteil des Testzentrums um 50 Prozent gewachsen, so dass sich hier nun rund 60 Kilometer Prüfstrecken befinden. Das Spektrum reicht von der Komfort- und Geräusch-Messstrecke über Marter- und Bergtrassen bis hin zur Hochgeschwindigkeitsbahn.
Neue Entwicklungen bei Technik und Motoren beeinflussen auch die Infrastruktur und den alltäglichen Betrieb in Dudenhofen. So verfügt die neue Tankstelle auf dem Gelände mittlerweile über 18 Kraftstoffsorten und für Elektroautos wurden Stromladestationen eingerichtet. Umweltfreundlichkeit spielt nicht nur bei den getesteten Antrieben, sondern auch auf dem Gelände selbst eine Rolle. So werden 90 Prozent des für die Waschanlage benötigten Wassers recycelt.
Gehirn des Testzentrums Dudenhofen, in dem rund 300 Menschen beschäftigt sind, ist das Elektronische Prüffeldmanagement (EPM). Das System steuert beispielsweise den Verkehr und die Zufahrtsberechtigungen zu den Strecken und gibt exakte Wetterinformationen. Ebenfalls neu ist das Eventmanagement-Team, das das Gelände auch für die Öffentlichkeit zugänglich macht – mit großem Erfolg: Mittlerweile begrüßt das Testzentrum Dudenhofen jährlich bis zu 10.000 Besucher zu Veranstaltungen und Fahrtrainings.
Fahrwerksentwicklung auf dem Testgelände Pferdsfeld
Seit 2005 wird das Testzentrum Dudenhofen noch durch das Testgelände Pferdsfeld im der Nähe des rheinland-pfälzischen Bad Sobernheim ergänzt. Das Gelände war einst Teil eines Luftwaffenstützpunkts der Bundeswehr; die ehemalige Start- und Landebahn wurde zu Testzwecken umgebaut. Während in Dudenhofen Dauererprobung und Tests mit Prototypen im Mittelpunkt stehen, nehmen die Fachleute in Pferdsfeld vor allem die Fahrwerke unter die Lupe.