2008-09-24
Von Sieg zu Sieg
- Opel-Fahrräder bringen der Marke Weltruhm
- Vor 80
Jahren: Steher-Weltrekord von Léon Vanderstuyft
- Ende des
19. Jahrhunderts: Opel-Brüder erringen Hunderte
Siege bei Fahrradrennen
- Bis
heute: Fans der Radsportszene auf
Original-Wettkampfrädern unterwegs
Rüsselsheim. Opel und Rennsport? Da denkt man an
Motorsportveranstaltungen wie die Deutsche
Tourenwagenmeisterschaft, das 24-Stunden-Rennen auf dem
Nürburgring oder die legendären Rallye-Erfolge. Doch
bekannt wurde der heutige Autohersteller im Rennsport
schon viel früher – und zwar mit einem
nicht-motorisierten Gefährt: dem Fahrrad. In die
Geschichte eingegangen ist zum Beispiel der
Steher-Weltrekord, den Léon Vanderstuyft 1928
aufstellte. Vor genau 80 Jahren gelang dem Belgier der
legendäre Erfolg auf zwei Rädern, der mehrere Jahrzehnte
Bestand hatte.
122,771 Kilometer pro Stunde – Vanderstuyft rast zum
Weltrekord
Bereits 1925 wird der Franzose Robert Grassin auf Opel
Steher-Weltmeister. Doch die Rennen, bei denen die
Sportler im Windschatten eines vorausfahrenden Motorrads
spektakuläre Geschwindigkeiten erzielen, erreichen für
Opel am 29. September 1928 auf der Autodrome Montlhéry
bei Paris ihren Höhepunkt: Léon Vanderstuyft macht sich
bereit zum waghalsigsten Unterfangen seines Lebens. Er
will einen neuen Steher-Weltrekord aufstellen. Sein
Arbeitsgerät: ein Fahrrad der Marke Opel, genauer: eine
modifizierte ZR III-Rennmaschine mit 193
Zoll-Übersetzung.
Sein Schrittmacher Lehmann startet den Motor – die Fahrt
beginnt. 80, 90, 100 km/h, und er legt noch an Tempo zu.
Im Windschatten des Motorrads erreicht Vanderstuyft
schließlich eine halsbrecherische Geschwindigkeit von
122,771 Kilometern in der Stunde. Es ist geschafft: Mit
schier unglaublichen Steherqualitäten bricht er den bis
dato bestehenden Weltrekord. Dabei ist besonders
herausragend, dass er innerhalb einer Stunde tatsächlich
122 Kilometer Fahrstrecke zurückgelegt hat. Einmal mehr
bewahrheitet sich der Slogan „Fahre Opel, dann wirst du
Meister!“, mit dem der zu dieser Zeit weltgrößte
Fahrradhersteller selbstbewusst für seine Produkte
wirbt.
Wien
und ganz Europa – vom ersten Erfolg zur unglaublichen
Siegesserie
Mit dem richtigen Gespür für das Potenzial des damals
neuartigen Fortbewegungsmittels rollen 1886 zuerst
Hochräder, 1887 dann die ersten Niederräder aus dem
Rüsselsheimer Werk. Und bereits 1888 – im gleichen Jahr,
in dem Opel die erste Fabrikhalle einweiht, die allein
der Zweirad-Produktion vorbehalten ist – gewinnt Joseph
Göbel am 31. Mai auf einem Opel-Hochrad in Wien die
Meisterschaft von Österreich. Es war der Startschuss für
einen steilen Aufstieg der Opel-Räder. Nur ein Jahr
später erringt August Lehr, der bedeutendste Rennfahrer
der damaligen Zeit, auf einem Hochrad in London die
„Meisterschaft der Welt“. Für Opel der Wendepunkt, denn
durch diesen Sieg ist der bis dahin noch immer
vorherrschende Einfluss der englischen Fahrradindustrie
nachhaltig gebrochen. Insgesamt bringt das Jahr 1889 dem
Hause Opel 240 Siege, darunter 13 Meisterschaften.
„Die
fünf Rüsselsheimer“ – Opel-Brüder stellen die
Radsportszene auf den Kopf
Bester Werbeträger für die eigene Marke werden dabei die
Opel-Söhne selbst: Die beiden Ältesten – Carl und
Wilhelm Opel – tragen zu dieser Zeit bereits als
Rennfahrer zum erfolgreichen Abschneiden der eigenen
Räder bei. Vom 12. bis 15. Mai 1892 stellt Heinrich,
Adam Opels dritter Sohn, auf einer
„Victoria-Blitz-Tourenmaschine“ einen neuen Rekord auf.
Für die Strecke von Paris nach Frankfurt am Main
benötigt er nur 80,5 Stunden Fahrzeit und schlägt damit
den drei Jahre zuvor anlässlich der Pariser
Weltausstellung von August Lehr und Carl Opel auf
„Opel-Blitz IV“ aufgestellten Rekord um 36 Stunden.
Doch dies ist erst der Anfang der sagenhaften
Rennerfolge der Opel-Brüder, die in der Folgezeit als
„die fünf Rüsselsheimer“ für Furore sorgen. Carl gewinnt
insgesamt 60 erste Preise, Wilhelm 70, Ludwig über 100
und Heinrich landet 150 Mal auf der obersten Stufe des
Siegerpodests. Erfolgreichster Opel-Fahrer wird Fritz
mit über 180 ersten Plätzen. Einer seiner größten
Triumphe ist der Sieg bei der 620 Kilometer langen
Fernfahrt Basel-Cleve 1894. Die besten Straßenfahrer der
Zeit nehmen am Wettkampf teil. Erstaunt ist man, den
damals in der Radsportszene noch unbekannten
neunzehnjährigen Fritz Opel im Teilnehmerfeld zu
erblicken. Er setzt sich gegen das starke
Wettbewerberfeld durch und passiert nach 28-stündiger
Fahrt in Cleve als Erster das Ziel. Für seine
überragende sportliche Leistung wird er mit dem von
Kaiser Wilhelm II. gestifteten Ehrenpreis belohnt.
Fahrrad gegen Pferd – die Opel-Rennmaschine gewinnt das
Duell
Ein Jahr zuvor gewinnt Joseph Fischer auf einem Opel-Rad
die erstmals vom deutschen Radfahrer-Bund veranstaltete
Fernfahrt „Wien-Berlin“. Fischer zählt zu den besten
internationalen Straßenrennfahrern und nimmt auch
verrückte Herausforderungen an. So kommt es, dass er am
8. September 1893 spektakulär auf einer Radrennbahn in
München gegen das Traberpferd Flora I antritt. Fischer
gewinnt das 4.000-Meter-Rennen mit mehr als fünf
Sekunden Vorsprung – anschließend erteilt er dem
Besitzer des Traberpferdes Radfahrunterricht. Elf Monate
später wagt er sogar das Duell gegen den Amerikaner
William Cody Junior, Sohn des berühmten Buffalo Bill.
Wieder heißt es: Radfahrer gegen Reiter. Und wieder
heißt der Sieger in allen drei ausgetragenen Rennen
Joseph Fischer.
Im selben Jahrzehnt – genauer: 1897 – wird Willy Arend
auf Opel Sprintweltmeister über eine englische Meile. Er
geht mit diesem Sieg als der erste Profi-Weltmeister des
deutschen Radrennsports in die Geschichte ein. Weitere
Höhepunkte seiner Karriere sind die
Europa-Meisterschaften 1897, 1898 und 1901 sowie der mit
8.000 Mark zu den höchstdotierten Radrennen zählende
„Große Preis von Deutschland“, der in Berlin ausgetragen
wird. Selbst im Alter von 45 Jahren steigt Arend immer
noch unermüdlich aufs Rad und siegt 1921 in der
Deutschen Profi-Sprintermannschaft.
Radsportlegenden auf ZR III – die Opel-Werksmannschaft
der 20er Jahre
Mitte der 20er Jahre – zur gleichen Zeit als sich Opel
zum weltweit größten Zweirad-Produzenten aufschwingt –
unterhält das Rüsselsheimer Unternehmen ein Werksteam.
Wo auch immer die gelbe Opel-Mannschaft erscheint, fährt
sie an die Spitze; so auch bei den internationalen
Straßenrennen „Rund um Zürich“, „Bern-Genf“ oder „Zürich-Chaux
de Fonds“.
Das bedeutendste Ereignis, das Opel mit den gelben ZR
III-Rennrädern wieder für sich entscheiden kann, ist die
im August 1925 in Amsterdam ausgetragene
Steher-Weltmeisterschaft. Aus ihr geht Robert Grassin
als überlegener Sieger hervor. In ganz Europa eilt er
von Sieg zu Sieg. Schon damals stellt Opel mit den
„Zeppelin Rigid III“-Rädern (in Anlehnung an den ersten
Zeppelin, der den Atlantik überquerte) sowie den
darunter angesiedelten RAK 29 und RAK 30-Rädern (benannt
nach den Raketenfahrzeugen, mit denen Opel international
Medienecho erregte) Qualität unter Beweis.
Für 1926 und die folgenden Jahre gelingt es den
Rüsselsheimern, weitere Spitzenfahrer für die
Werksmannschaft zu verpflichten, unter ihnen die Belgier
Jules van Hevel und Philippe Maurice Ville sowie die
Italienier Belloni und Zanaga. Sprintweltmeister Jaap
Meyer, der spätere Steher-Weltmeister Walter Sawall und
viele andere bedeutende Bahnfahrer unterstützen das
achtzehnköpfige internationale Team – die bisher größte
Werksmannschaft der Unternehmensgeschichte. Höhepunkt
Anfang der 30er Jahre: Im Mai 1931 wird als erstes
Rennen seiner Art die von Opel veranstaltete
internationale Deutschlandrundfahrt ausgetragen. Start
und Ziel der 4.000 Kilometer langen Strecke ist
Rüsselsheim. Sämtliche Fahrer starten auf Opel ZR
III-Rennmaschinen, so dass nur Leistung und Ausdauer
über das Ergebnis entscheiden. Die Großveranstaltung
gilt als das radsportliche Ereignis des Jahres;
Millionen Zuschauer verfolgen die spannenden Wettkämpfe
vom Straßenrand aus.
Vom
20. ins 21. Jahrhundert – Opel-Räder „leben“ weiter
Findet die Fahrradproduktion bei Opel, und mit ihr die
aktive Teilnahme am Profi-Rennzirkus, auch 1937 ihr
Ende, so sind die Wettkampfmaschinen der Marke bis in
die Gegenwart legendär. Ein Beispiel hierfür ist das
Engagement des Radfahrer-Vereins Opel 1888 e.V.
Rüsselsheim, der bereits auf Initiative von Adam Opel
gegründet wurde und auch im 120. Jahr seines Bestehens
nach wie vor für Aufsehen sorgt. Zahlreiche Fans sind
auf den regelmäßig veranstalteten Radtourenfahrten mit
dabei, und dies oft auf originalen Opel-Rennrädern wie
den berühmten ZR III-Maschinen. Auf diese Weise besteht
bis heute eine lebendige Szene, die die historischen
Räder pflegt und damit zugleich das Interesse der
Öffentlichkeit an den früheren Opel-Erfolgen im
Radrennsport immer wieder aufs Neue weckt.

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