2008-05-07
Vor 80 Jahren: Fritz von Opels Rekordfahrt im RAK 2
Auf der Berliner AVUS beginnt im Mai 1928 das
Raketenzeitalter
Rüsselsheim. Vor 3.000 geladenen Zuschauern beginnt am
23. Mai 1928 auf der Berliner AVUS das Raketenzeitalter.
Fritz von Opel, Enkel des Firmengründers Adam Opel,
startet mit seinem RAK 2 zu einer weltweit beachteten
Rekordfahrt. Der Raketenwagen ähnelt einer schwarz
lackierten Zigarre, zwei gewaltige Flügel sollen den
errechneten Auftrieb kompensieren und ein Abheben des
Fahrzeugs verhindern. 24 Pulverraketen mit insgesamt 120
Kilogramm Sprengstoff katapultieren den RAK 2 mit einem
langen Feuer- und Rauchschweif nach vorne. Mit jedem
Tritt aufs Gaspedal zündet Fritz von Opel die nächste
Stufe des Antriebs, das Fahrzeug beschleunigt auf die
Rekordgeschwindigkeit von 238 km/h. Gleich nach dem
umjubelten Erfolg kündigt Fritz von Opel weitere
Raketenversuche auf der Schiene und in der Luft an. 256
km/h erreicht am 23. Juni 1928 der unbemannte RAK 3 auf
einem gesperrten Eisenbahngleisstück bei Burgwedel -
neuer Weltrekord für Schienenfahrzeuge. Im September
1929 absolviert „Raketen-Fritz“ den ersten bemannten
Raketenflug der Welt, mit dem Opel-Sander RAK 1-Flugzeug
erhebt sich Fritz von Opel auf dem Flughafen
Frankfurt-Rebstock in die Luft.
„Der Vorstoß in den Weltenraum“
Im Jahr 1927 sucht der Südtiroler Astronom, Testpilot
und Publizist Max Valier, Verfasser des Werks „Der
Vorstoß in Weltenraum“, bei Fritz von Opel Unterstützung
für seine Forschung an einem „Raketen-Motor“. Der Enkel
des Firmengründers Adam Opel, selbst Rennfahrer und
Flieger, erkennt die Möglichkeiten der Raketen-Technik
und die Werbewirkung für die Marke Opel. Fortan wird in
Rüsselsheim an der neuartigen Technologie geforscht, auf
einem eigens konstruierten Prüfstand die Schubkraft
unterschiedlicher Raketen-Typen gemessen. Der Ingenieur
und Raketenbauer Friedrich Wilhelm Sander aus Wesermünde
bei Bremerhaven liefert hochmoderne Feststoff-Raketen.
Er hat sich einen Namen mit der Herstellung von Raketen
zur Seenotrettung erworben. Mit solchen Raketen werden
Rettungsleinen zu havarierten Schiffen hinüber
geschossen.
Für den 11. April 1928 kündigt das Unternehmen die
öffentliche Premiere des Raketenwagens RAK 1 auf der
hauseigenen Opel-Rennbahn in Rüsselsheim an, der ersten
permanenten Versuchs- und Rennstrecke Deutschland. Um
16.30 Uhr ist es soweit: Werksrennfahrer Kurt C.
Volkhart hebt den Arm als Zeichen zum Start, die ersten
von zwölf Raketen zünden. Nach nur acht Sekunden
erreicht der RAK 1 Tempo 100, dann rollt das Fahrzeug
aus. Die Fahrt wird zum Triumph einer neuen Technologie,
die Zeitungs-Berichte sind getragen von
Zukunftseuphorie. Vom „betriebssicheren Amerikaflug“ und
„dessen Weiterentwicklung zum Weltenraumschiff“ wird
phantasiert.
„120 Kilo Sprengstoff im Rücken, genug für ein ganzes
Häuserviertel“
Weil die hauseigene Opel-Rennbahn nicht für
Geschwindigkeiten über 140 km/h konzipiert ist, verlegt
Fritz von Opel die Rekordfahrt mit dem technisch und
aerodynamisch neu konzipierten RAK 2 auf die Berliner
Hochgeschwindigkeits-Strecke AVUS, um das innovative
Antriebssystem dort einer breiten Öffentlichkeit
vorzustellen. Rund 3.000 geladene Gäste aus Film, Sport,
Wissenschaft und Politik sowie Vertreter der Presse
haben sich auf der Nordtribüne versammelt und warten auf
den Start. Filmstar Lilian Harvey und Box-Idol Max
Schmeling sind unter den prominenten Zuschauern. Noch
steht das Raketenauto verhüllt unter Segeltuch.
Geheimrat Schütte, Präsident der Wissenschaftlichen
Gesellschaft für Luftfahrt, würdigt das Wirken Max
Valiers. Fritz von Opel schildert das Ziel der
Forschung: die bemannte Raumfahrt.
Der RAK 2 wird enthüllt und zum Start geschoben, wo die
Raketen eingesetzt und mit den Zündkabeln verbunden
werden. Staunend betrachten die Zuschauer das
Raketenauto. Ein schlanker, schwarz lackierter
Karosseriekörper, das Fahrgestell stammt von einem Opel
10/40 PS. Zwei gewaltige Flügel sollen den errechneten
Auftrieb kompensieren und ein Abheben des Raketenwagens
verhindern. Mit der Kraft von 24 Raketen, die einen
Schub von 6.000 Kilo entwickeln und über ein eigens
entwickeltes, elektrisches Zündsystem per Fußpedal
gezündet werden, soll der RAK 2 eine Geschwindigkeit
jenseits der 200 km/h-Marke erreichen. Der 29-jährige
Fritz von Opel setzt sich in Fliegerjacke und mit
Fliegerbrille ans Lenkrad, „merkwürdige Gedanken
duchblitzten mich“, erinnert er sich später. „120 Kilo
Sprengstoff im Rücken, genug für ein ganzes
Häuserviertel... da steht ja auch die goldige Lilian
Harvey, knapp 90 Pfund mag sie wiegen.“
„Hinter mir das Rasen der unbändigen Kräfte“
Am Start stehen nur noch Carl Jörns, der legendäre
Opel-Rennfahrer, Max Valier und der Raketenbauer
Friedrich Wilhelm Sander beim Piloten. Fritz von Opel
notiert später: „Sander drückt mir die Hand. Warum so
feierlich? Ich trete auf das Zündpedal. Hinter mir heult
es auf und wirft mich vorwärts. Es ist wie eine
Erlösung. Ich trete nochmal, nochmals und – es packt
mich wie eine Wut – zum viertenmal. Seitwärts
verschwindet alles. Ich sehe nur noch das große Band der
Bahn vor mir. Ich trete schnell noch viermal, fahre nun
mit acht Rohren. Die Beschleunigung ist ein Rausch. Ich
überlege nicht mehr. Ich handle nur noch im
Unterbewusstsein. Hinter mir das Rasen der unbändigen
Kräfte...“
Kurz vor Schluss kommt es fast zur Katastrophe: die
Tragflächen sind nicht ausreichend auf Abtrieb gestellt,
das enorme Tempo lässt den Vorderwagen des
Raketenfahrzeugs abheben, Fritz von Opel kann den RAK 2
nur durch schnelle Reaktionen auf der Bahn halten. Nach
kaum drei Minuten ist das Spektakel vorbei und die
Sensation ist perfekt. Die Höchstgeschwindigkeit der
Rekordfahrt lag bei 238 km/h, die Nachricht geht um die
Welt. Einem Reporter verrät UFA-Star Lilian Harvey: „Mit
Fritz von Opel möchte ich im Raketenauto fahren.“
Die Zeitschrift „Das Motorrad“ schreibt: „Es konnte sich
niemand des Eindrucks erwehren, dass man am Beginn eines
neuen Zeitalters steht. Vielleicht ist der Opelwagen mit
Raketenantrieb der erste praktische Schritt zur
Überwindung des Weltalls.“ „Raketen-Fritz“ ist ein Held
und will nun Schiene und Luftraum erobern. Eine
Fortsetzung des Rüsselsheimer Raketenprogramms im Juni
1928 findet mit den unbemannten Schienenfahrzeugen RAK 3
und 4 auf der eigens gesperrten Reichsbahnstrecke
Celle-Burgwedel statt. Dabei wird mit dem RAK 3 ein
neuer Weltrekord für Schienenfahrzeuge aufgestellt. Ein
paar Wochen später missglückt ein neuer Rekordversuch
mit dem RAK 4, der bei der gewaltigen Explosion zerstört
wird. Weitere Versuche mit einem Raketen-getriebenen
Opel Motoclub-Motorrad folgen, werden aber von den
Behörden untersagt. Im September 1929 absolviert Fritz
von Opel den ersten bemannten Raketenflug der Welt. Mit
dem Opel-Sander RAK 1-Flugzeug erhebt er sich auf dem
Flugplatz Frankfurt-Rebstock in die Luft und wird 150
km/h schnell. Das Raketenzeitalter hat begonnen.

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