2007-02-14
Abschluss der
Opel-Fahrrad-Ära vor 70 Jahren
"Opel-Räder sind
allen anderen weit voran"
Wichtiger
Abschnitt in der Entwicklung des Rüsselsheimer
Unternehmens
Rüsselsheim. Von der Nähmaschinenfabrik zum
Automobilhersteller – doch halt, ein entscheidendes
Kapitel in der langen und erfolgreichen Geschichte der
Marke mit dem Blitz darf an dieser Stelle natürlich
nicht fehlen: die Fahrradproduktion. Zwischen 1886 und
1937 verlassen in Rüsselsheim mehr als 2,6 Millionen
Zweiräder die Opel-Hallen. Mitte der 20er Jahre des
letzten Jahrhunderts wird Opel sogar der Welt größter
Fahrradproduzent – nicht zuletzt aufgrund der
langjährigen Radsport-Erfolge, die mit den Markenrädern
eingefahren werden konnten.
Rückblick: Auf einer Geschäftsreise nach Paris lernt
Adam Opel 1884 das Hochrad kennen; sein ältester Sohn
Carl vertieft sich in England in die Techniken der
Fahrradproduktion. Beide erkennen das Potenzial der
neuartigen Fortbewegungsmittel für den zukünftigen
Verkehr. Und so rollen bereits 1886 zuerst Hochräder,
Ende 1887 dann die ersten Niederräder aus dem
Rüsselsheimer Werk. Von da an geht es Schlag auf Schlag:
1888 weiht Opel die erste Fabrikhalle ein, die allein
der Zweirad-Produktion vorbehalten ist. Im gleichen Jahr
gewinnt Joseph Göbel auf einem Opel-Hochrad in Wien die
Meisterschaft von Österreich. Doch dies ist nur der
Anfang des steilen Aufstiegs der in Rüsselsheim
produzierten Markenräder. Schon 1889 erringt August
Lehr, der bedeutendste Rennfahrer der damaligen Zeit,
auf einem Hochrad in London die „Meisterschaft der
Welt“.
Zukunftsweisend und prestigeträchtig – der Radrennsport
bei Opel
Das Sportengagement macht das Unternehmen bekannt,
berühmt wird es durch die Erfolge und Meisterschaften
der fünf Opel-Söhne: Carl gewinnt 60 erste Preise,
Wilhelm 70, Ludwig über 100 und Heinrich landet 150 Mal
auf der obersten Stufe des Siegerpodests.
Erfolgreichster Opel-Fahrer ist Fritz mit über 180
ersten Plätzen. Einer seiner größten Triumphe ist der
Sieg bei der 620 Kilometer langen Fernfahrt Basel-Cleve
1894. Weit über die Radrennszene hinaus ist der Name
„Opel“ nun in aller Munde.
Die vielen Radsporterfolge kurbeln den Absatz kräftig
an, beweisen sie doch die Stabilität und Verlässlichkeit
der in Rüsselsheim hergestellten Räder. Das Ergebnis:
Opel schwingt sich zum weltweit größten
Zweirad-Produzenten Mitte der 20er Jahre des letzten
Jahrhunderts auf – 1927 vertreiben mehr als 15.000
Händler die beliebten Räder; nach Einführung des
Fließbandes auf dem Höhepunkt der Produktion verlässt
alle sieben Sekunden ein Rad die Fertigung.
Werbeanzeigen mit den Mottos „Opel-Räder sind allen
anderen weit voran!“ oder „Fahre Opel, dann wirst du
Meister!“ zeugen schon Jahre zuvor vom Selbstbewusstsein
für das eigene Produkt. Dass dies keineswegs übertrieben
ist, zeigt einmal mehr der sensationelle Erfolg des
belgischen Dauerfahrers Léon Vanderstuyft im Jahr 1928:
Er legt auf der Autorennbahn von Montlhéry bei Paris im
Windschatten seines motorisierten Schrittmachers Lehmann
mit 122,771 Kilometer in der Stunde schier unglaubliche
Steherqualitäten an den Tag und bricht damit den bis
dato bestehenden Weltrekord.
Doch schon zuvor, genauer: 1925, ergreift das
Rüsselsheimer Unternehmen die Initiative, deutsche und
ausländische Radrennfahrer starten zu lassen. Wo auch
immer die Opel-Mannschaft erscheint, fährt sie an die
Spitze. Ein bedeutendes Ereignis, das Opel mit den
Rennmaschinen für sich entscheiden kann, ist die im
August 1925 in Amsterdam ausgetragene
Steher-Weltmeisterschaft. Der Franzose Robert Grassin
geht als überlegener Gewinner hervor und erringt den
höchsten Titel im Radsport. In ganz Europa eilt er mit
seinem ZR III Rennrad von Sieg zu Sieg. Im Mai 1931 wird
als erstes Radsportwettrennen seiner Art die von Opel
veranstaltete internationale Deutschlandrundfahrt
ausgetragen. Start und Ziel der 4.000 Kilometer langen
Strecke: Rüsselsheim. Sämtliche Fahrer starten auf Opel
ZR III-Rennmaschinen, so dass nur Leistung und Ausdauer
über das Ergebnis entscheiden. Die Großveranstaltung
gilt als das radsportliche Ereignis des Jahres;
Millionen Zuschauer verfolgen die spannenden Wettkämpfe
vom Straßenrand aus.
Die
1930er – Blütezeit und Ende einer Ära
Nach Einführung von Ballonreifen und verwindungssteifen
Doppelrohr-Rahmen – ebenfalls Anfang der 30er Jahre –
folgt 1936 als offizieller Ausstatter des Botendienstes
im Olympischen Dorf in Berlin der letzte Höhepunkt in
der Fahrrad-Ära von Opel. Ein Jahr später, 1937 – im
Jahr des 75-jährigen Firmenjubiläums und rund 51 Jahre
nach der Produktion des ersten Opel-Rades – endet dieses
Kapitel der Mobilitätsgeschichte der Marke mit dem
Blitz, das dazu beigetragen hat, den Namen „Opel“ in
aller Welt bekannt und geachtet zu machen. Fortan
konzentriert sich Europas größter Hersteller auf das
Automobilgeschäft. Als letztes Fahrrad rollt am 15.
Februar ein Rad der „Blau-Chrom-Klasse“ mit der
Seriennummer 2.621.964 vom Band. Fein säuberlich wird
dem letzten Opel-Rad ein Erinnerungsschild ins
Rahmendreieck geschraubt, bevor es die historische
Zweiradsammlung vervollständigt. Die NSU-Werke
Neckarsulm, die sich seit Jahren auf den Bau von Fahr-
und Motorrädern spezialisiert haben, übernehmen die
Rüsselsheimer Fahrradproduktion. Um von dem guten Ruf
der Opel-Räder zu profitieren, werden sie für eine
Übergangszeit unter dem Namen „NSU-Opel“ verkauft. Bis
heute bleibt das Fahrrad das erste und nach wie vor
preiswerteste Individualverkehrsmittel weltweit – an
dessen Verbreitung Adam Opel und seine Nachfolger
maßgeblichen Anteil haben.

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