Nutzfahrzeuge mit Blitz blicken auf eine große Tradition
zurück
Rüsselsheim. Vor 75 Jahren legte Opel mit dem „Blitz“-Leichtlastwagen
den Grundstein für eine lange Reihe erfolgreicher
Nutzfahrzeuge. Zugleich entstand aus dem Modellnamen das
Zeichen, das bis heute die Marke Opel prägt: Während die
heutigen leichten Nutzfahrzeuge internationale Namen wie
Movano und Vivaro tragen, ziert ihre Kühler zugleich der
chromglänzende Opel-Blitz. Obwohl sich heute gegenüber
1930 die PS-Zahlen mehr als verdoppelt haben, Komfort,
Sicherheit und Bremsleistung auf PKW-Niveau liegen,
bleibt die Aufgabe unverändert, nämlich Lasten zu
transportieren. Dabei schultert ein Movano bis zu 1,7
Tonnen, der Urahn Opel Blitz von 1930 trat mit einer
Nutzlast von 1,5 bis zwei Tonnen an. Bis zum Ende der „Blitz“-Baureihe
im Jahr 1975 wurden 442.312 Lastwagen in den Werken
Brandenburg und Rüsselsheim gebaut.
Aller Laster Anfang
Die Ursprünge des Nutzfahrzeugbaus beim Automobilpionier
Opel liegen noch weiter zurück. Bereits 1899 fertigt das
Unternehmen auf Basis des 3,5 PS starken
Patentmotor-wagens „System Lutzmann“ den ersten
Lieferwagen. Der „Coloss von Motorkraftwagen“, wie ihn
die örtliche Presse beschreibt, mit Gepäckkastenaufbau
ist der erste Lieferwagen seiner Art und Vorbild für
weitere Nutzfahrzeuge aus Rüsselsheim. Mit dem Ersten
Weltkrieg halten vom Militär vorgegebene,
firmenübergreifende Normen für den Bau von
„Regel-Lastwagen“ bis zu vier Tonnen Einzug. In dieser
Zeit avanciert Opel zum größten Pkw- und Lkw-Produzenten
Deutschlands. In den 20er Jahren entsteht eine neue
Nutzfahrzeug-Palette aus kleineren Leichtlastwagen mit
einer Zuladung von ein bis zwei Tonnen.
1930 präsentiert das Unternehmen eine weitere Generation
von modern konzipierten Nutzfahrzeugen, für die eine
einprägsame Modellbezeichnung mit fünf Buchstaben
gefunden werden soll. Der Name für das neue Produkt wird
unter den Mitarbeitern per Preisausschreiben gesucht.
„Ein Opel ist zu gewinnen! Wir suchen einen Namen, den
wir in der ganzen Welt berühmt machen wollen! Der neue
Lastwagen soll seinen Siegeszug durch Deutschland und
über Deutschlands Grenzen hinaus unter einem Namen
antreten, der ihn als deutsches Fabrikat kennzeichnet
und gleichzeitig Ausdruck seiner überlegenen Qualität
ist“, ruft Geheimrat Dr. Wilhelm von Opel die
Mitarbeiter auf. Einsendeschluss ist der 6. Oktober
1930, der Hauptgewinn besteht aus einer 4/20
PS-Limousine, vier Opel Motoclub-Motorräder sind die
Preise zwei bis fünf. Die Wahl fällt auf „Blitz“ – eine
Bezeichnung, die bereits 1890 für Fahrräder aus den
Opel-Werken Verwendung gefunden hatte und zum Synonym
für die nächsten 45 Jahre Nutzfahrzeugbau der Adam Opel
AG werden wird.
Variabilität steht schon bei der Präsentation im
November 1930 im Vordergrund: zwei Grundmodelle mit
einer Nutzlast von 1,5 bis zwei Tonnen, drei
unterschiedliche Radstände sowie zwei Motoren erfüllen
die individuellen Wünsche der Kundschaft. Der
2,6-Liter-Vierzylindermotor aus eigener Produktion
leistet 40 PS, der 3,6-Liter-„Maquette“-Sechszylindermotor,
ein Triebwerk der GM-Tochter Buick, verfügt über 55 PS.
Der Erfolg der „Blitz“-Lastwagen ist so groß, dass das
Unternehmen fünf Jahre nach Aufnahme der Fertigung 1935
eigens ein Werk für die Nutzfahrzeug-Produktion baut.
Aufbau Ost
Am Stammsitz in Rüsselsheim sind alle Kapazitäten
ausgelastet, Opel expandiert im Osten. In Brandenburg an
der Havel wird eine neue Fertigungsstätte in modernster
Industrie-Architektur errichtet, 850.000 Quadratmeter
groß und ausschließlich dem Lastwagenbau vorbehalten. Am
7. April 1935 erfolgt der erste Spatenstich. 1200 Mann
arbeiten in drei Schichten und verbauen in Rekordzeit
1,5 Millionen Backsteine, vier Millionen Kilogramm
Stahl, 15.000 Sack Zement und 17.500 Quadratmeter Glas.
Am 10. August wird Richtfest gefeiert und am 18. Oktober
1935 – 190 Tage nach Grundsteinlegung – rollt der erste
„Blitz“-Lastwagen vom Band. Als erstes Opel-Werk ist
Brandenburg auf 100prozentige Fließbandproduktion
ausgerichtet, die Kapazität beider Werke liegt bei
25.000 Blitz-Einheiten pro Jahr. Im gleichen Jahr stellt
Opel einen Rekord auf: mit 102.293 gebauten Fahrzeugen
überschreitet das Unternehmen als erster deutscher
Hersteller die 100.000-Marke, der Marktanteil in
Deutschland beträgt
40 Prozent. Im Jahr darauf ist die Adam Opel AG sogar
der größte Fahrzeug-Hersteller Europas. Daran hat die
Nutzfahrzeug-Produktion einen großen Anteil: 1936 werden
21.756 Fahrzeuge in den Werken Brandenburg und
Rüsselsheim gefertigt.
Im Juli 1937 verlässt in Brandenburg bereits der
25.000ste Blitz-Schnelllastwagen die Montagelinie. Im
gleichen Jahr erneuert Opel das Motoren-Programm mit
Triebwerken aus der Pkw-Produktion. Der Dreitonner Blitz
erhält den modernen 3,6-Liter-Sechszylinder des
Oberklassenmodells Opel Admiral, der hängende Ventile
und eine von Stirnrädern angetriebene Nockenwelle
besitzt. 75 PS leistet der Reihenmotor im Opel Blitz,
der mit einer Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h
schneller als mancher Personenwagen ist. Im
80 km/h schnellen Eintonner kommt der
1,5-Liter-ohv-Vierzylinder des Opel Olympia mit 37 PS
zum Einsatz. Solide, zuverlässig, langlebig – der Blitz
verfügt über sprichwörtliche Opel-Tugenden. Die machen
ihn auch für die militärische Nutzung im Zweiten
Weltkrieg interessant.
1945, zehn Jahre nach der Einweihung des neuen Werks,
kommt die Blitz-Fertigung in Brandenburg zum Erliegen.
Die Bausubstanz ist nach Angriffen alliierter Bomber
zerstört, die verbliebenen Produktionsanlagen werden
demontiert und gehen als Reparationsleistungen in die
Sowjetunion. Ebenso ergeht es den Kadett-Linien in
Rüsselsheim. Während der Kadett anschließend als
„Moskwitsch“ in Moskau vom Band läuft, werden die
Blitz-Anlagen dort jedoch nie wieder montiert.
Neubeginn West
Mit dem Blitz beginnt im Rüsselsheimer Stammwerk der
Neubeginn: der erste Nachkriegs-Opel ist ein
Blitz-Lastkraftwagen 1,5 to. „Am Montag, den 15. Juli
1946 fand im Rahmen einer schlichten Feierstunde der
Ablauf des ersten wieder serienmäßigen hergestellte Opel
Blitz 1,5 Tonner Sechszylinder 2,5 Ltr.
Schnelllastwagens statt, der das Signal zur
Wiederaufnahme der Serienerzeugung von Kraftfahrzeugen
bei der Adam Opel AG gegeben hat“, lautet die Meldung.
6.600 Mark kostet der von einem Wiesbadener Unternehmer
bestellte Blitz. Gegenüber der früheren Ausführung ist
das zulässige Gesamtgewicht um 200 auf 3400 Kilogramm
erhöht worden, die Nutzlast steigt somit auf 1.725 Kilo.
Die hölzerne Pritsche ohne Plane, das
Ganzstahl-Fahrerhaus, das Fahrwerk mit Blattfedern und
Zwillingsbereifung an der Hinterachse entsprechen dem
Vorkriegsstandard. Unter der langgestreckten Haube
arbeitet der aus dem Kapitän bekannte
ohv-Sechszylindermotor, der nun 55 PS leistet. 839
Blitz-Schnelllastwagen werden noch 1946 produziert.
Wagen für das Wirtschaftswunder
1952 erhält der Opel Blitz ein neues Gesicht und eine
neue Technik. Deutlich moderner gezeichnet, mit
gerundetem Kühler und bauchigen Kotflügeln, entspricht
der 1,75-Tonner der runden, vom US-amerikanischen
Fahrzeug-Design beeinflussten Formensprache der 50er
Jahre. Der 2,5-Liter-Sechszylinder leistet inzwischen 58
PS, der betont leise laufende Limousinen-Motor beschert
dem Blitz eine Sonderstellung auf einem von rauen
Lkw-Triebwerken bestimmten Markt. Der Clou des neuen
Opel Blitz von 1955 ist die gestiegene Ladekapazität:
mit 2 Tonnen Nutzlast kann er mehr zuladen als er wiegt.
Der Blitz verfügt noch immer über einen tadellosen Ruf,
Spezialfirmen liefern Busaufbauten, Möbelkoffer,
Feuerwehren und Kommunal-Fahrzeuge auf Basis des
wahlweise 3300 oder 3750 mm langen Fahrgestells. Rund
20.000 Exemplare, Rahmen eingerechnet, verlassen pro
Jahr das Rüsselsheimer Werk, 89.767 „Rundschnauzer“-Einheiten
sind es bis zum Modellwechsel 1960.
1959 debütiert
auf der IAA in Frankfurt eine neue Blitz-Generation mit
eckiger gezeichnetem Kastenwagen, schräg abfallender
Schnauze und einer Vielzahl Aufbau-Varianten. Teile der
Produktion werden ausgelagert. Den Kabinenbau samt
Inneneinrichtung und Verkabelung übernimmt der
Karosseriebauer Voll in Würzburg. In Rüsselsheim erfolgt
die Verbindung mit Fahrgestell und Antriebsstrang. Das
offiziell „Blitz 1,9-Tonnen“ genannte Modell besitzt
noch immer einen Sechszylinder-Benzinmotor, jetzt mit 70
PS.
1965 zeigt sich der Blitz-Lastwagen mit repräsentativer
„Halbschnauzer“-Kabine deutlich modernisiert. Ein 70 PS
starker Vierzylindermotor kommt zum Angebot hinzu. Der
1,9-Liter-Benziner besitzt eine seitlich im Kopf
liegende, per Duplex-Kette angetriebene Nockenwelle (camshaft-in-head)
und entstammt der neuen Motorengeneration, die 1965 im
Opel Rekord B debütiert. Im 2,1- und 2,4-Tonner arbeitet
seit 1966 wieder ein neuer Reihensechszylinder, welcher
den Blitz-Lastwagen auf 110 km/h beschleunigt. Die auf
80 PS gedrosselte 2,5-Liter-Maschine stiftet erneut die
gehobene Klasse – mit 115 PS treibt sie den neuen Opel
Commodore an. Ende der 60er Jahre gehört der Opel Blitz
noch immer zu den beliebtesten Leichtlastwagen auf dem
deutschen Markt, fast jeder zweite Lkw mit Benzinmotor
bis zu 3 Tonnen Nutzlast kommt von Opel. 1969 macht das
Unternehmen einen wichtigen Schritt und stellt den
Benzinern einen Selbstzünder zur Seite. 60 PS stark ist
das 2,1 Liter-Diesel-„Indenor“-Aggregat der
französischen Firma „Industrie Nord Est“.
Es bleibt die letzte Neuerung auf einem Geschäftsfeld,
das aufgrund der immer weiter wachsenden Pkw-Produktion
von Opel an Bedeutung verliert. Zwischen 1965 und 1975
werden insgesamt 47.368 Fahrzeuge mit Vergaser- und
7.374 mit Dieselmotor gebaut. Am 10. Januar 1975 endet
die Produktion: Nach 442.312 in Rüsselsheim und
Brandenburg gefertigten Blitz-Lastwagen wird jene
Baureihe eingestellt, deren Bezeichnung zum
Markenzeichen wurde. Der „Bedford“-Lieferwagen der
englischen Konzernschwester Vauxhall, seit 1973 als
Alternative im Programm und nun Bedford „Blitz“ getauft,
bleibt bis 1987 das einzig verfügbare Nutzfahrzeug. Zum
100-jährigen Bestehen des Unternehmens und der großen
Lastwagen-Historie im Jahr 1999 lebt die „Blitz“-Idee
wieder auf: mit den Modellen Arena und Movano startet
Opel einen Neubeginn in der Nutzfahrzeug-Produktion.
Heute stehen sowohl Movano als auch der Vivaro, als
Nachfolger des Arena, in der großen Tradition des Opel
Blitz.