Opel baute das erste deutsche Großserienauto mit
selbsttragender Karosserie
Rüsselsheim. Im April 1935 kommt die automobile
Revolution aus Rüsselsheim. Mit dem Modell Olympia 1,3
Liter, benannt nach dem zukünftigen Großereignis des
Jahres 1936, schreibt Opel Technik-Geschichte: Der erste
deutsche Großserienwagen mit selbsttragender
Ganzstahl-Karosserie – ein noch heute gültiges
Bauprinzip - läuft in Rüsselsheim vom Band. Die Neuerung
hat Einfluss auf den gesamten Automobilbau, der bisher
auf die aus dem Kutschen-Zeitalter stammende Trennung
von Rahmen und Aufbau und in der Regel auf eine
Holz/Stahl-Gemischtbauweise setzte. Dies ist nun vorbei:
„Die von früher her gewohnte Unterteilung zwischen
Fahrgestell und Karosserie wird hinfällig“, erklären die
Opel-Konstrukteure. Die Vorteile der neuen
Konstruktionsweise mit einer Einheit aus Karosserie und
Chassis liegen auf der Hand: geringeres Gewicht bei
gleichen Abmessungen, bessere Fahrleistungen bei
unveränderter Motorleistung, erhöhte Sicherheit durch
eine steife Fahrgastzelle.
Mit
dem Olympia bringt Opel eine Fülle von Neuerungen in den
Automobilbau ein. Aufgrund der selbsttragenden
Karosserie besitzt das neue Modell eine verformbare
Karosseriestruktur, die im Falle einer Kollision Energie
aufnimmt – die „Knautschzone“ ist geboren. Wegweisend
ist ebenfalls die Fertigungstechnik. Bei der „Hochzeit“
werden im Produktionsprozess Karosserie mit den
vormontierten Antrieb und Achsen verbunden. Diese
rationelle Fertigung ermöglicht einen Preis von 2500
Reichsmark für den Olympia, der als Cabriolet-Limousine
und zweitürige Limousine zu haben ist und einen
maßgeblichen Anteil daran hat, dass Opel im Jahr 1935
zudem noch einen neuen Rekord aufstellt. Mit 102.293
gebauten Fahrzeugen überschreitet das Unternehmen als
erster deutscher Hersteller die
Hunderttausend-Produktionsmarke.
Revolution aus Rüsselsheim
Das
erste Mal stellt Opel sein neues Modell auf der 26.
Internationalen Automobilausstellung im Februar 1935 in
Berlin vor und gewährt dabei Einblicke in die neue
Technik. Dach, Türbleche, Motorhaube und Kofferraum des
Ausstellungsstücks sind aus Plexiglas gefertigt, um die
neue Form des rahmenlosen Aufbaus zu veranschaulichen.
Schon im Jahr zuvor, am 19. September 1934, war das
„sprengwerkartige Wagenkastengerippe“ zum Patent
angemeldet worden. „Das Gerippe der Karosserie ist wie
ein Brückenträger aufgebaut, eine Ausführungsform, die
bei geringstem Gewicht die mühelose Aufnahme großer
Kräfte möglich macht. Dieses Gerippe besteht aus
Profilträgern, die wie im Metallflugzeugbau miteinander
verbunden sind“, erklären die Konstrukteure das Prinzip
der selbsttragenden Karosserie. Deren Herstellung bringt
völlig neue Herausforderungen mit sich. Bisher übernahm
der separate Fahrzeugrahmen die tragende Rolle, jetzt
muss die Karosserie selbst Kräfte aufnehmen. Mit Hilfe
von speziell entwickelten Tiefziehblechen sowie dem
Punktschweißverfahren – tausende Schweißpunkte geben dem
Stahlkleid des Olympia Halt - gelingt es den Technikern,
eine verwindungs- und biegesteife Karosserie zu
entwickeln, die zudem zum Vorläufer heutiger
Sicherheitszellen im Fahrzeugbau wird. Verformbare
Bereiche der Karosserie dienen dem Insassenschutz, eine
Sollbruchstelle im gabelförmigen Frontprofil soll im
Falle eines Aufpralls einen Teil der Energie verzehren.
Auch wenn noch niemand davon spricht, ist beim Olympia
erstmals eine „Knautschzone“ an Bord. Opel ist damit
Vorreiter einer neuen Sicherheitstechnologie.
Hochzeit in der Herstellung
So
revolutionär wie die Karosserie präsentiert sich auch
deren Fertigung. Mit dem Olympia hält die „Hochzeit“ in
den Produktionsprozess Einzug, die bis heute
gebräuchliche Zusammenführung der Karosserie mit Antrieb
und Achsen. Bisher wurde der Fahrzeugrahmen mit Motor,
Getriebe, Lenkung, Achsen und Rädern bestückt, bevor der
Aufbau hinzukam. Dies alles geschah auf einer Ebene.
Jetzt werden Motor, Getriebe und Achsen mit
hydraulischen Hebebühnen unter die an einer Förderkette
hängende Karosserie gehoben und miteinander verbunden,
sie feiern „Hochzeit“. Am 26. Juni 1935 meldet Opel auf
das neue Montageverfahren ein Patent an, das unter der
Nummer 765899 erteilt wird und heute noch weltweit den
Automobilbau bestimmt.
Fortschritt in Form und Technik
Opel bringt die Innovation mit dem Typ Olympia 1,3 Liter
unters Volk. Zwei Karosserievarianten sind lieferbar,
beide besitzen als gestalterisches Novum anstelle von
freistehenden Lampen in die Karosserie integrierte
Scheinwerfer. Ebenfalls angeboten wird eine zweitürige
Limousine. „Auch das Dach ist erstmals aus einem Stück
Stahl – ein schützender Panzer von höchster
Widerstandsfähigkeit“, wie die Werbung verspricht.
Durch die rahmenlose Bauweise ist der Platz im Innenraum
gewachsen, die Ausstattung zeigt sich gediegen. „Die
Polstersitze sind mit Cord bezogen, die Rücklehnen der
Vordersitze lassen sich vorklappen, die Hintersitze
sind in Breite und Tiefe so günstig bemessen, dass man
volle Bewegungsfreiheit hat und auch dadurch keine
Fahrstrapazen spürt.“ Die schon von anderen Modellen
bekannte „Opel-Zugfrei-Belüftung“ durch vordere und
hintere Ausstellfenster ist ebenfalls patentiert. Der
Kofferraum wird von Innen beladen, was auch Vorteile mit
sich bringt: „In einem Stück mit der Karosserie fugenlos
verbunden, ist er gegen Straßenstaub,
Witterungseinflüsse und Diebstahl gleichermaßen
geschützt.“
Von
der selbstragenden Karosserie profitiert das
Fahrverhalten. Das Leergewicht des Olympia liegt bei nur
835 Kilogramm, durch Verzicht auf den separaten Rahmen
liegt der Schwerpunkt nun 15 Zentimeter tiefer als beim
Vorgängermodell 1,3 Liter. Von diesem hat der Olympia
Motor und große Teile des Fahrwerks übernommen. Die
Leistung von 24 PS aus 1288 ccm ermöglicht eine
Höchstgeschwindigkeit von 95 km/h, dabei begnügt sich
der seitengesteuerte Reihenvierzylinder mit rund 9
Litern auf 100 Kilometern. Blattgefederte Starrachse
und Hinterradantrieb entsprechen dem Stand der Technik,
an der Vorderachse verfügt der Olympia über einzeln
aufgehängte Räder und die im Jahr 1934 vorgestellte
„Opel Synchron-Federung“. In einem waagerecht am
Achsrohr angebrachten, geschlossenen Stahlgehäuse liegt
die Feder-Dämpfer-Einheit staubdicht gekapselt in einem
Ölbad. Je stärker das Rad einfedert, desto stärker
drückt der Tragarm des Rades über einen Nocken auf eine
innenliegende Schraubenfeder, beim Ausfedern kommt der
Stoßdämpfer zum Einsatz. „Wer den Wagen viel zum Reisen
benutzt, wird mit Freude feststellen können, dass Wagen
mit Opel-Synchron-Federung die lästigen
Begleiterscheinungen langer Fahrten – Müdigkeit und
Zerschlagenheit – nicht mehr aufkommen lassen. Denn die
ermüdenden Nickschwingungen werden durch die
Opel-Synchron-Federung in einen angenehmen Fahrrhythmus
umgewandelt. Der Opel Typ Olympia ist förmlich mit der
Straße verwachsen, seine Sicherheit ist nicht zu
überbieten.“
„Er
ist der Wagen unserer Zeit“
Noch aber trägt der Olympia nicht den berühmten Blitz am
Bug. Ein stilisierter Zeppelin steht für den Fortschritt
und ein Diskuswerfer für die klassischen Ideale des
bevorstehenden Sport-Ereignisses. Neben dem Wagen
trägt auch die Opel-Werbung moderne Züge. Für den hohen
Bekanntheitsgrad des Olympia sorgt Opel mit
spektakulären Werbeaktionen, die den Namen um die Welt
tragen. Im Juni 1936 fahren zwei Olympia nach
Griechenland, um den Fackelstaffellauf vom Stadion des
alten Olympia bis nach Berlin zu begleiten. 3075
Kilometer bewältigen die Fahrzeuge, die sich technisch
nicht von Autos der Serie unterscheiden.
Schon kurz darauf schafft es ein Olympia höher,
schneller und weiter hinaus, als irgendein Automobil
zuvor. Der 500.000ste Opel seit Beginn der Fertigung im
Jahr 1899 – natürlich ein Olympia – nimmt im Bauch des
Luftschiffs Hindenburg als erstes Automobil den Luftweg
nach Rio de Janeiro, wo Wagen und Besatzung begeistert
empfangen werden. Ähnlich reagieren die Käufer: 37.127
Olympia werden im Jahr der Olympischen Spiele
produziert.
1936 avanciert das Unternehmen mit 120.852 verkauften
Lkw und Pkw zum größten Automobilproduzenten Europas.
Bis zum Spätsommer 1937 laufen vom Olympia 81.661
Exemplare in Rüsselsheim vom Band, nicht zuletzt dank
intensiver Modellpflege. Die beschert dem Olympia 1,3
Liter im gleichen Jahr eine auf 26 PS gestiegene
Motorleistung sowie eine hydraulische Bremsanlage und
ein Vierganggetriebe.
Zum
Modelljahr 1938 erfährt der Olympia eine grundlegende
Überarbeitung und präsentiert sich in drei Varianten.
2675 Mark kostet die zweitürige Limousine ab Werk, 2750
Mark die Cabriolet-Limousine und 2950 Mark die neue
Limousine mit vier Türen. Statt der mittig
angeschlagenen Motorhaubenhälften bekommt der Olympia
eine vorn und in einem Stück zu öffnende
„Alligatorhaube“. Die größte Änderung verbirgt sich
darunter. Mit dem 38 PS starken 1,5 Liter-ohv-„Hochleistungsmotor“
debütiert ein Meilenstein des Motorenbaus bei Opel. Das
Konstruktionsprinzip mit hängenden Ventilen, angetrieben
von Stoßstangen, und kurzhubiger Auslegung distanziert
den Olympia klar von seinen unterlegenen Konkurrenten
und qualifiziert den 1,5 Liter sogar für den Motorsport.
Elf
Wagen, darunter drei Olympia im Serientrimm, nehmen 1938
an der internationalen Deutschen Alpenfahrt teil. Mehr
als 1600 Kilometer die über 38 Pässe führen machen die
„Gebirgsfernfahrt“ zur Belastungsprobe für Mensch und
Material. Die Fahrt wird für Opel zu einem Triumph: alle
elf Autos kommen ins Ziel, gewinnen fünf Goldplaketten,
zwei Edelweißmedaillen und den begehrten Alpenpokal für
den besten Serienwagen.
Im
Jahr 1940 muss die Produktion ziviler Fahrzeuge in
Rüsselsheim eingestellt werden, insgesamt 168.875
Olympia rollen bis dahin vom Band. Im Dezember 1947 ist
der erste Personenwagen aus Rüsselsheim wieder ein
Olympia.