2005-04-02

Weiterer Härtetest für Wasserstoff-Technologie

Brennstoffzellen-Fahrzeug "HydroGen3" startet bei Rallye Monte Carlo

 

 

·         Von Lugano nach Monaco: Über 400 Kilometer in zwei Etappen

·         Am Steuer: Opel DTM-Pilot Heinz-Harald Frentzen

·         Forschung: Große Fortschritte auf dem Weg zur Serienreife

·         Zielsetzung: Emissionsfreie Automobile ab 2010

 

 

Rüsselsheim.  Erst im vergangenen Juni hatte das Brennstoffzellen-Fahrzeug HydroGen3 eindrucksvoll die Alltagstauglichkeit seines Antriebs beim „Opel Fuel Cell Marathon – powered by GM“ unter Beweis gestellt: Exakt 9.696 pannenfreie Kilometer legte der Prototyp dabei binnen 38 Tagen zwischen Hammerfest/Norwegen und Cabo da Roca/Portugal zurück. Nach diesem Weltrekord folgt jetzt ein weiterer Härtetest: Der auf dem Opel Zafira basierende HydroGen3 nimmt an der in diesem Jahr zum ersten Mal ausgetragenen „Rallye Monte Carlo Fuel Cell And Hybrid“ teil. Pilotiert wird das Brennstoffzellen-Fahrzeug von Heinz-Harald Frentzen, dem Formel 1-Vizeweltmeister von 1997, dreimaligen Formel 1-Grand-Prix-Gewinner und aktuellen Opel-Werksfahrer in der Deutschen Tourenwagen Masters (DTM).

 

Das vom Internationalen Automobilsportverband FIA (Fédération International de l’Automobil) und dem Automobile Club de Monaco (A. C. M.) organisierte Gleichmäßigkeits-Rennen – gefahren wird auf Soll-Zeit – startet am 2. April 2005 in Lugano. Die rund 410 Kilometer lange Strecke führt in zwei Etappen durch die Schweiz, Italien und Frankreich nach Monaco, wo die teilnehmenden Fahrzeuge am selben Tag eintreffen werden. Das Reglement erlaubt den Brennstoffzellen-Modellen einen Tankstopp. Der Verbrauch wird gemessen und fließt in die nach Klassen eingeteilte Wertung ein.

 

„Mit einer Teilnahme an Motorsport-Veranstaltungen haben Automobilhersteller schon immer Fahrleistungen und Zuverlässigkeit ihrer Produkte demonstriert. Dass wir jetzt bei der anspruchsvollen Rallye Monte Carlo mit dem HydroGen3 antreten, zeigt, welche großen Entwicklungsschritte die Brennstoffzellen-Technologie in den letzten Jahren vollbracht hat“, betont Dr. Udo Winter, Chefingenieur im deutschen GM Brennstoffzellen-Forschungszentrum (FCA – Fuel Cell Activities) in Mainz Kastel.

 

Gut vorbereitet: Umfangreiches Testprogramm auf der ganzen Welt

 

Ihren Ruf als eine der schwierigsten Rallyes der Welt verdankt „die Monte“ der steilen und kurvigen Streckenführung durch die Seealpen. Eine besondere Herausforderung auch für den HydroGen3, doch bei weitem nicht die erste Bewährungsprobe. Standfestigkeit bewiesen die Brennstoffzellen-Fahrzeuge beim letztjährigen „Opel Fuel Cell Marathon – powered by GM“ und bei vielen anderen Gelegenheiten. So ist beispielsweise seit Juni 2003 ein HydroGen3 im täglichen Stop-and-Go-Verkehr der japanischen Millionen-Metropole Tokio im Rahmen des „Japan Hydrogen and Fuel Cell Demonstration Projects“ unterwegs. Ebenso legen seit vielen Monaten sechs weitere, in der amerikanischen Hauptstadt Washington stationierte HydroGen3-Fahrzeuge Botentouren im Großstadtbetrieb und Demonstrationsfahrten im ganzen Land zurück.

 

Härter auf die Probe gestellt wurden die Brennstoffzellen-Prototypen allerdings in einem umfangreichen Testprogramm, wie es auch die konventionellen GM- und Opel-Modelle durchlaufen. 165.000 Validierungs-Kilometer haben die rund 20 Versuchsträger dabei bis heute im Rahmen von 132 unterschiedlichen Testprozeduren in aller Welt unter verschiedensten Klimabedingungen absolviert. Besondere Anforderungen stellten unter anderem eine Hitze-Testfahrt auf den 2.600 Meter hohen Mount Lemmon in Arizona, eine Wintererprobung bei minus 15 Grad Celsius in den Schweizer Alpen und ein Stadtverkehrtest auf den Straßen des smogbelasteten Los Angeles. Zusätzliche Tests auf Prüfständen entsprachen einer Strecke von weiteren 20.000 Kilometern.

 

Brennstoffzellen-Antrieb: Kompaktes und effizientes Kraftwerk

 

Das Herzstück, die Brennstoffzelle des HydroGen3, ist ein kompaktes und hoch effizientes Kraftwerk, das samt Elektromotor und Nebenaggregaten komplett unter die Fronthaube des Opel Zafira passt. Durch dieses ausgeklügelte Packaging bietet das Wasserstoff-Fahrzeug Platz für fünf Passagiere und deren Gepäck.

 

In dem von GM FCA entwickelten Brennstoffzellen-Stapel (englisch: Stack) mit 200 in Reihe geschalteten Einzelzellen reagieren in einem elektrochemischen Prozess Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser und erzeugen auf diese Weise elektrische Energie. Mit deren Hilfe wird der Elektromotor des HydroGen3 angetrieben, der 60 kW/82 PS leistet. Das Aggregat mit einem maximalen Drehmoment von 215 Nm beschleunigt den Brennstoffzellen-Zafira nahezu geräuschlos in rund 16 Sekunden von Null auf Tempo 100 und ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h.

 

Beeindruckend ist im Hinblick auf die künftige Serienfertigung von Brennstoffzellen-Automobilen Folgendes: Die Ingenieure realisierten durch eine deutliche Reduzierung der Bauteile nicht nur ein äußerst kompaktes System, sondern es gelang ihnen auch, die 15 Hauptbaugruppen des Antriebs zu einem Modul zusammenzufassen. Dadurch können die einzelnen Elemente wie bei einem herkömmlichen Verbrennungsmotor-Antrieb vormontiert und dann gemeinsam bei der „Hochzeit“ von unten in die Karosserie eingepasst und verschraubt werden.

 

Bezüglich der Tanksysteme fährt man bei GM FCA zweigleisig: Wie das „Rallye Monte-Carlo“-Auto wird ein Teil der Versuchsträger, „HydroGen3 liquid“ genannt, mit superisolierten Tanks für tiefgekühlten, das heißt minus 253 Grad Celsius kalten, flüssigen Wasserstoff ausgerüstet. Weitere Fahrzeuge mit Namen „HydroGen3 compressed 700“ haben Hochdrucktanks aus Karbon-Verbundmaterial und speichern den Wasserstoff als Gas unter einem Druck von bis zu 700 bar. Das Tanksystem ist das erste für 700 bar, das vom deutschen Technischen Überwachungsverein (TÜV) sowie nach amerikanischen und zukünftigen europäischen Standards zertifiziert und für den Straßenverkehr zugelassen wurde.

 

Aufwand: Bisher über eine Milliarde Dollar in das Auto von morgen investiert

 

Noch weiter als die drei bisherigen Generationen von Brennstoffzellen-Fahrzeugen in Richtung Produktentwicklung ausgerichtet ist das für Ende 2005 geplante, intern als „V4-Programm“ bezeichnete Folgeprojekt. Die Fahrzeuge sollen dann mit Kleinserien-Werkzeugen gebaut werden, im Unterschied zum heutigen Aufbau, der ausschließlich in Handarbeit erfolgt. Dadurch verspricht sich GM unter anderem sinkende Kosten, geringere Fertigungstoleranzen und damit höhere Qualität und Zuverlässigkeit.

 

Ebenso wie die bei der europäischen Marathon-Tour und der Rallye Monte Carlo gewonnenen Erkenntnisse sind weitere Erfahrungen mit dem HydroGen3 und seinem Nachfolger wichtige Schritte auf dem Weg zur Serienreife des Brennstoffzellen-Antriebs. In dessen Erforschung und Entwicklung haben GM und Opel bisher über eine Milliarde Dollar investiert. Und zwar mit dem Ziel, im nächsten Jahrzehnt Fahrzeuge mit der emissionsfreien Technologie zu verkaufen. GM Vice President Larry Burns: „Nur wenn wir ein hohes Fahrzeugvolumen erreichen, werden die Vorteile der Brennstoffzellen-Technologie für die Umwelt und ihr Beitrag zur Schonung der begrenzten fossilen Energiereserven zum Tragen kommen.“

 

Wenn die GM-Brennstoffzellen-Fahrzeuge in großer Stückzahl auf die Straße rollen, soll die Brennstoffzelle eine Betriebsdauer von mindestens 5.500 Stunden haben. Das entspräche einer Fahrtstrecke von rund 160.000 Kilometern und den Anforderungen, die auch an Verbrennungsmotoren gestellt werden. Ebenso wie bei der Dauerhaltbarkeit soll es dann auch keine Unterschiede mehr bei den Kosten geben. Ziel sind 50 Dollar pro Kilowatt Nennleistung des Antriebs – ein Betrag, der den Preisen von Verbrennungsmotor-Antrieben entspricht.

 

Zurzeit ist man jedoch von solchen Größenordnungen noch weit entfernt. Hochgerechnet auf eine Jahresstückzahl von 100.000 Einheiten kostet die Brennstoffzellen-Technik gegenwärtig zehn Mal so viel wie ein vergleichbarer herkömmlicher Antrieb. Allerdings geht der Fortschritt auch hier zügig voran. So gelang es GM FCA, die Kosten für den Brennstoffzellen-Stack weiter zu senken. Möglich wurde dies durch den Einsatz preiswerter Bipolarplatten aus Edelstahl, die die teureren Titanplatten ersetzen, sowie durch ein kostengünstigeres Fertigungsverfahren.

 

Globale Zusammenarbeit: Brennstoffzellen-Zentren in USA, Deutschland und Japan

 

Solche Erfolge sind die Ergebnisse der umfangreichen Erfahrung, über die GM auf dem Gebiet der Brennstoffzellen-Technologie verfügt. Im November 1997 wurde das Entwicklungszentrum GM Fuel Cell Activities von General Motors und Opel gegründet. Heute arbeiten rund 600 Wissenschaftler und Ingenieure an insgesamt fünf Standorten in den USA (Rochester, Warren, Torrance), in Deutschland (Mainz-Kastel) und in Japan (Tokio) mit unterschiedlichen Schwerpunkten am gemeinsamen Brennstoffzellen-Programm.

 

Die Herausforderung, der sie sich mit ihrer Arbeit stellen, ist klar umrissen: Zurzeit leben 6,4 Milliarden Menschen auf der Erde – 2020 werden es aller Voraussicht nach 7,5 Milliarden sein. Verbunden damit ist ein prognostizierter Anstieg des Motorisierungsgrads der Weltbevölkerung von jetzt 12 auf dann 15 Prozent. Im Klartext bedeutet das: Statt 775 Millionen werden in knapp zwei Jahrzehnten 1,1 Milliarden Fahrzeuge über unseren Globus rollen. Dies hat nicht nur einen weltweit um jährlich 2,4 Prozent steigenden Bedarf an Primärenergie zur Folge, wie ihn die amerikanische Studie „International Energy Outlook“ bis zum Jahr 2020 voraussagt. Verbunden damit ist beim Einsatz fossiler Energie ein weiterer Anstieg des Schadstoffausstoßes und der klimarelevanten Kohlendioxidemissionen.

 

Vor diesem Hintergrund kommt der Brennstoffzelle auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität eine Schlüsselrolle zu. Das zeigt eindeutig die so genannte „Well-to-Wheel“-Studie, die GM und Opel für Europa durchführten und deren Ergebnisse mittlerweile durch eine weitere Untersuchung bestätigt wurden, die in Zusammenarbeit zwischen der Forschungsgemeinschaft der europäischen Automobilindustrie (EUCAR), dem Forschungszusammenschluss der Mineralölindustrie (CONCAWE) und der Europäischen Union durchgeführt wurde. Bei diesen Analysen wurden unterschiedliche Treibstoffpfade und Antriebskonzepte auf Energieverbrauch und Treibhausgas-Emissionen von der Treibstoffproduktion aus Basisstoffen bis hin zur Nutzung des Kraftstoffs im Fahrzeug untersucht. Zentrales Ergebnis beider Studien ist, dass mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen-Fahrzeuge das größte Potenzial haben, Treibhausgas-Emissionen nachhaltig zu reduzieren und auf lange Sicht vollkommen zu eliminieren.

 

Infrastruktur: Wasserstoff-Tankstellen für ganz Europa erforderlich

 

„All dies macht klar, dass der Brennstoffzelle die Zukunft gehört - insbesondere, wenn erneuerbare Energien bei der Wasserstoff-Gewinnung eingesetzt werden und eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung steht“, resümiert GM Vizepräsident Larry Burns. Für die USA hat GM den notwendigen Bedarf schon einmal hochgerechnet: 11.700 Tankstellen würden ein Netz darstellen, mit dem 70 Prozent der amerikanischen Bevölkerung versorgt wären. Das benötigte Investitionsvolumen bei Kosten von einer Million Dollar pro Tankstelle würde 11,7 Milliarden Dollar betragen. Mit ähnlichen Größenordnungen wäre auch in Europa eine umfangreiche Basisversorgung zu realisieren.

 

Große Mengen Wasserstoff werden heute schon produziert – weltweit rund 45 Millionen Tonnen im Jahr. Der Großteil wird für die Düngemittelherstellung und die Raffinierung von Erdöl verwendet. In einer Reihe von chemischen Produktionsprozessen fällt Wasserstoff allerdings auch als Nebenprodukt an. Durch Nutzung dieses Wasserstoffs ließen sich bereits heute alleine in Deutschland Jahr für Jahr rund 500.000 Autos mit Brennstoffzellen-Antrieb versorgen. Allerdings wären für den Aufbau einer ersten Infrastruktur auch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen erforderlich. Im Sinne einer nachhaltigen Mobilität für das 21. Jahrhundert bedarf es darüber hinaus eines globalen Engagements. Dr. Byron McCormick, Executive Director von GM Fuel Cell Activities: „Wir haben in den letzten Jahren große Fortschritte in der Forschung und Entwicklung erzielt. Um wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Automobile Realität werden zu lassen, wäre eine staatliche Unterstützung in allen Regionen wünschenswert, damit diese Fahrzeuge weltweit so schnell wie möglich zum Erhalt unserer Umwelt und zu attraktiven Konditionen für die Käufer auf den Markt gebracht werden können.”

 

Technische Daten des HydroGen3 liquid

 

Bauart

Fünfsitziger Prototyp mit Frontantrieb auf Basis des Compact Van Zafira

Kraftstoffspeichersystem

Flüssigwasserstoff-Edelstahltank, Einbaulage vor der Hinterachse, unter der Fondsitzbank

Länge/Durchmesser: 1.000 / 400 mm

Fassungsvermögen: 68 l / 4,6 kg

Gesamtgewicht: 90 kg

Brennstoffzellen-Einheit

200 Einzel-Brennstoffzellen, in Reihe geschaltet

Spannung: 125 – 200 Volt

Länge/Breite/Höhe: 472/251/496 mm

Aktive Fläche: 800 cm2

Druck: 1,5 – 2,7 bar

Dauerleistung: 94 kW

Leistungsdichte: 1,60 kW/l bzw. 0,94 kW/kg

Elektrisches Traktionssystem

Asynchron-Drehstrommotor mit integrierter Leistungselektronik und Planetengetriebe

Betriebsspannung: 250 – 380 Volt

Leistung: 60 kW

Drehmoment: 215 Nm

Maximale Motordrehzahl: 12.000 min-1

Getriebeübersetzung: 8,67:1

Gesamtgewicht: 92 kg

Maße/Gewicht

Länge/Breite/Höhe: 4.317/1.742/1.684 mm

Fahrzeug-Leergewicht: 1.590 kg (Zielwert)

Fahrleistungen

Beschleunigung 0 – 100 km/h: 16 s,

Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h,

Reichweite: 400 km