4 Mai 2004

 

Erstes Großserienfahrzeug der deutschen Automobilgeschichte

Vor 80 Jahren hüpfte der erste Opel Laubfrosch vom Band

 

Rüsselsheim. Im Frühjahr 1924, heute vor 80 Jahren, rollte der erste Opel 4/12 PS vom Band. Er war eine Provokation für den damaligen Herrenfahrer: klein und grün statt groß und schwarz. Mehr noch: Er wurde nicht in aufwändiger Einzelfertigung hergestellt, sondern am Fließband. Der kleine Gebrauchswagen, im Volksmund wegen seiner Lackierung "Laubfrosch" genannt, revolutionierte die Automobilproduktion in Deutschland. Die Herstellung am Band sorgte für einen relativ erschwinglichen Preis, das "Auto des kleinen Mannes" war geboren. Die Stückzahlen kletterten in damals ungeahnte Höhen. Rund 120.000 Einheiten wurden von Mai 1924 bis Juni 1931 hergestellt.

Tatsächlich leistet der Opel 4 PS, so die offizielle Modellbezeichnung nach den damals hubraumbezogenen Kfz-Steuer-PS, zwischen 12 und 14 Pferdestärken. Sein Einliter-Motor, ein Reihenvierzylinder, beschleunigt den Kleinwagen in der Spitze auf 60 km/h und schafft im dritten Gang eine Dauergeschwindigkeit von beachtlichen 50 km/h. Der offene Zweisitzer ist 3,20 Meter lang, 1,35 Meter breit und 1,65 Meter hoch, hat ein Klappverdeck als Wetterschutz und sogar einen hinter der Sitzbank integrierten Kofferraum. Die Motorhaube, mit großen Kühlerluftschlitzen ausgestattet, wird vorne von einem angedeuteten Spitzkühler mit polierter Kühlermaske begrenzt, hinten läuft der zweisitzige Aufbau in einem spitzen Bootsheck aus. Die Räder sind aus Pressstahl gefertigt, der Schalthebel ist nicht mehr außenbords angebracht, sondern leicht erreichbar in der Fahrzeugmitte, so wie heute.

Der "Wagen für Jedermann", so die damalige Opel-Werbung, kostete beim Produktionsstart 4.500 Rentenmark – wenig im Vergleich zu anderen Fahrzeugen, aber immer noch so viel wie ein Eigenheim. Zum Volks-Opel wurde er, weil sein Verkaufspreis dank stetig weiterentwickelter Fließbandtechnik von Jahr zu Jahr sank. 1930, Opel hatte bereits 100.000 Exemplare verkauft, war der Opel 4 PS in der einfachen Ausführung als Zweisitzer schon für 1.990 Reichsmark erhältlich. Da hatte er sich bereits als ideales Transportmittel für gewerblich tätige Zeitgenossen wie Landärzte, Architekten oder Handelsvertreter durchgesetzt. In einer Zeitungsannonce sprachen die Opel-Werber diese Klientel gezielt an: "Ein Auto ist eine Verdienstquelle, auch für Sie ... Sie wissen, dass Sie einen Mehrumsatz erzielen können, wenn Sie rascher von Ort zu Ort gelangen."

Der Erfolg des ersten in Großserie gefertigten Automobils in Deutschland war nicht absehbar, als sich die Opel-Brüder 1923, mitten in der Inflationszeit, entschieden, ein Auto mit gänzlich neuen Produktionsmethoden herzustellen und die rückständige deutsche Automobilfabrikation zu revolutionieren. 1922 hatte Fritz Opel in Detroit die Fließbänder, die neuen Fertigungsmethoden und den Einsatz moderner Werkzeugmaschinen studiert. Jetzt kaufte man in den USA die Spezialmaschinen zur rationellen Massenfabrikation und installierte sie in Rüsselsheim.

Ganze 45 Meter war das erste Fließband lang. Nicht viel, aber es revolutionierte die Fertigung. Neu waren auch die Förderketten, die sich bald wie Schlagadern durch die Fabrik zogen. Vorbei die Zeiten, in denen sich die Arbeiter ihr Material von Hand oder mit einem Karren heranholen mussten – Kurbelgehäuse, Nockenwellen oder Zylinderblöcke kamen jetzt auf Transportbändern zu ihnen. Auch das Herzstück der Fabrik, die Montagebahn, wuchs stetig an. Im Jahre 1928 erstreckte sich die Fließbandproduktion im Rüsselsheimer Werk bereits auf einer Länge von 2.000 Metern.

Auf eine Tagesleistung von 25 Fahrzeugen hatte Fritz Opel bei Produktionsbeginn im Frühjahr 1924 gehofft. Schon am Jahresende waren es 100 Automobile, 1925 hüpften jeden Tag 125 Laubfrösche von den Bändern. Die Nachfrage übertraf die Erwartungen bei weitem. Mit den neuen Produktionsanlagen weitete sich auch die Modellpalette des Typs 4/12 aus. Bereits im November 1924 gesellten sich zum Zweisitzer-Spitzheck-Wagen ein offener Tourer mit drei Sitzen (Farbe grün), eine geschlossene, stahlblaue Limousine mit drei Sitzen und ein Lieferwagen (Standardfarbe rotbraun).

Ende der zwanziger Jahre erhielten alle Modelle stärkere Motoren mit 1,1 Liter Hubraum und 18 bzw. 20 PS. So konnte sich der zuverlässige Laubfrosch zum Meilenstein für die deutsche Automobilindustrie entwickeln. Heute sind die 4 PS-Modelle unter Oldtimerfreunden gesuchte Raritäten. In Europa gibt es rund 100 fahrbereite Exemplare.